Lernreise 2017 an der Werkstattschule in Rostock

  14. März 2018  | 

Liebe Schulführung, liebes Kollegium, liebe Schüler*innen,

Nachdem Ihr Euch so viel Zeit für uns und unser Projekt genommen habt und uns den Besuch an der WiR ermöglicht habt, möchten wir unsere Gedanken zu Eurer Schule gerne
mit Euch teilen.
Uns ist natürlich bewusst, dass wir uns nach nur einem Tag Hospitation kein vollständiges Bild Eurer Schule machen konnten. Wir hoffen aber, dass unser Feedback, als
Außenstehende, Euch eventuell andere Blickwinkel aufzeigt und wir Euch damit eine Freude bereiten können.

Im September 2017 ist unsere 16-köpfige Gruppe von Lehramtsstudierenden zwei Wochen durch Deutschland gereist, um der Frage nach „guter Schule“ nachzugehen. Dabei haben wir
sechs Schulen besucht, deren (pädagogische) Konzepte und Herangehensweisen für uns als Gruppe besonders interessant erschienen.

Am Dienstag, den 26. September 2017, haben wir Eure Schule besuchen und erleben dürfen. Direkt im Anschluss an unsere Hospitation reflektierten wir unsere Eindrücke und
Erlebnisse an der Schule und diskutierten über Konzepte und offene Fragen. Im Rahmen eines Nachbereitungswochenendes führten alle Gruppen aus Berlin und Potsdam ihre Ideen und Inspirationen zusammen, versuchten diese zu systematisieren und schließlich eine Gesamtauswertung der Lernreise-Hospitationen vorzunehmen.

Vielen Dank für die herzliche Aufnahme und die bereichernde Hospitation,

Ihre Lernreise-Gruppe der Universität Potsdam

 

Das ist uns positiv aufgefallen

Organisation von Lernen und Lehren

  • Gleich beim Betreten des Gebäudes hat uns die positive, ruhige und freundliche Atmosphäre beeindruckt. Wir haben alle beobachteten Situationen/ Interaktionen als sehr entspannt und wertschätzend wahrgenommen und hatten den Eindruck, dass eine vertrauensvolle Atmosphäre zwischen allen Beteiligten herrscht.
  • An der WiR löst die Methodenvielfalt in der Unterrichtsgestaltung den Frontalunterricht fast völlig ab. Das Konzept der Werkstatt und der darauffolgenden Projektwoche ist abwechslungsreich und bietet den Lernenden die Möglichkeit sich sehr unterschiedlichen Projekten zu widmen und diese teilweise selbstständig, teilweise angeleitet zu erforschen.
  • Das jahrgangsübergreifende Lernen in Stammgruppen gibt den Schüler*innen Möglichkeiten, sich mit älteren Lernenden auszutauschen und von- und miteinander zu lernen.
  • Rituale wie der Morgenkreis sorgen dafür, dass die Schüler*innen zu Beginn eines Schultages gemeinsam mit ihrer Stammgruppe ankommen können, bevor es in den Schulalltag übergeht. Auch wird den Kindern und Jugendlichen Raum dafür gegeben, ihre Probleme und Sorgen anzusprechen. Darüber hinaus können im Morgenkreis auch organisatorische Dinge besprochen
    werden, was zu einem ruhigeren Verlauf der restlichen Unterrichtsstunden führen könnte.
  • Einige außerunterrichtliche Angebote, wie z.B. die Imker-AG, waren für uns sehr neuartig. Dadurch werden unterschiedlichste Interessen angesprochen und gleichzeitig wird die Naturverbundenheit der Schüler*innen unterstützt.
  • An der Architektur Eurer Schule haben wir die Verknüpfung zum pädagogischen Konzept gemerkt. Es ist optimal, wenn man, so wie Ihr es konntet, von Beginn an am Bau einer Schule beteiligt ist. Die Windmühle mit den einzelnen Mühlenblättern und der Aula im Zentrum hat uns überaus begeistert. Die weitläufigen und vielfältigen Räumlichkeiten, die Eure Schule bietet, sind überragend. Durch die verschiedensten Räumlichkeiten werdet Ihr aus unserer Sicht den Bedürfnissen Eurer Schüler*innen in musisch-handwerklicher (Kreativräume und Werkstattbereiche), forschend-experimentierender (Fachräume, Bibliothek, Lernräume, Computerraum) und kommunikativ-sozialer (Sitzecken, Küche) Hinsicht gerecht. Die strukturierten Räumlichkeiten bieten dabei Sicherheit und Orientierung. Dabei wollen wir vor allem die Vielfalt Eurer Materialen erwähnen. Es herrschte eine optimale Anordnung und auch Ordnung aller Utensilien. Aus unserer Sicht ein wichtiger Punkt für einen optimalen Lehr-und Lernort für Schüler*innen. Was uns aber am meisten umgehauen hat, war Euer tolles Lehrerzimmer. In Erinnerung an unsere eigene Schulzeit, war dieser Ort immer ein verschlossener,trister Raum mit einer dicken Holztür. Aber Euer gläsernes Konzept spiegelte erneut diese offene und freundliche Atmosphäre wider.

Umgang mit gesellschaftlichen Herausforderungen

  • Auf Eurer Internetseite findet man das Zitat: „Übergeordnetes Ziel der schulischen Arbeit ist es, die Schülerinnen und Schüler zu eigenverantwortlichem Lernen, solidarischem Handeln und sinnvollen Formen der Verständigung zu befähigen.“ Diesen Ansatz haben wir im Verhalten der Lehrer*innen, wie auch bei den Schülern und Schülerinnen mitbekommen. Die Förderung sozialer, als auch persönlicher Kompetenzen ist an Eurer Schule sehr wichtig. Zum einen herrschte ein sehr respektvoller Umgang. Altersunterschiede zwischen den Schülern und Schülerinnen hatten keine Auswirkungen auf das Miteinander oder die respektvolle Redekultur. Alle Beteiligten akzeptierten sich. Gleichberechtigung fand dadurch auch seinen berechtigten Platz. Unterschiedliche Meinungen wurden aufgenommen und akzeptiert. Die WiR verkörpert als Europaschule Weltoffenheit. Dies wird auch im Unterricht umgesetzt. Globale Themen, Interesse an Politik und Gesellschaft, wie z.B.: im Werkstattunterricht, haben ihren festen Platz im Schulgeschehen.
  • Ein weiterer absolut wichtiger Punkt ist die tolle Balance zwischen Freiheit und Führung. Die Schüler*innen haben ein hohes Maß an Eigenverantwortung, werden in manchen Situationen aber auch angeleitet. Beispiele dafür sind die ‚greencard’, die fest eingeplante Freiarbeit im Werkstattunterricht, aber auch Möglichkeiten die Schule in manchen Teilen selbst mitzugestalten. Den Schülern*innen wird Vertrauen entgegengebracht, was sie weiter in ihrer selbstverantwortlichen Persönlichkeit reifen und wachsen lässt. Es war toll dies während unserer Hospitation sehen zu können.
  • Die Herausforderungswoche, welche die Schüler*innen selbst organisieren und durchführen, ist eine bemerkenswerte Methode, damit die Lernenden auch sich selbst kennenlernen und sich eventuell ihren Ängsten stellen können. Auch im Gespräch mit Schüler*innen stellte sich heraus, dass diese Woche für einige von großer Bedeutung ist, da sie zu der Stärkung ihres Charakters beigetragen hat.

Das ist uns kritisch aufgefallen

Umgang mit Vielfalt

  • Wir fragen uns, wie es ermöglicht werden kann, auch sozial schwächer aufgestellte Familien zu erreichen. Denn trotz des solidarischen Schulgeldes und der Ermäßigungsanträge, haben wir den Eindruck gewonnen, dass die WiR eine relativ homogene Schülerschaft beherbergt. Wir sehen jedoch ebenso die Finanzierungsproblematik von Privatschulen.

Organisation von Lehren und Lernen

  • Wir haben uns gefragt, ob es nicht möglich wäre alle Fächer in einem jahrgangsübergreifenden Konzept zu unterrichten. Denn obwohl die Begründung der unterschiedlichen Herangehensweisen sinnvoll ist, könnte doch genau das auch eine Herausforderung für die Schüler*innen darstellen. Somit könnten sie in allen Fächern gemeinsam lernen, voneinander lernen und davon profitieren mit einer anderen Altersgruppe wachsen zu können.
  • In Gesprächen mit Schüler*innen haben wir herausgehört, dass der Übergang von der 8. Klasse in die 9. Klasse aufgrund der Noten etwas schwierig war. Die Noten waren oft schlechter als erwartet, da die Beurteilungen in den jüngeren Klassen durchaus positiver waren. Natürlich wirken Noten unter diesen Umständen noch abschreckender auf Schüler*innen. Aufgrund dessen wurden kritischere Beurteilungen in den früheren Klassen gewünscht, um genau diesen Übergang zu erleichtern.

 

Folgendermaßen soll unser Projekt weitergehen

Auch im kommenden Semester werden sich Lehramtsstudierende und Studierende der Erziehungswissenschaften auf die Suche nach der „guten Schule“ durch ganz Deutschland begeben und diese zwölftägige Reise selbst organisieren. Wir hatten auf unserer Reise im September auf jeden Fall eine Erkenntnis: Eine gute Schule kann für Jede/n unterschiedlich sein, denn eine Schule muss zu jedem Lernenden individuell passen. Etwas ist uns allerdings konkret aufgefallen: Eine gute Schule ist sich ihres Zieles bewusst und versucht, mit allen involvierten Akteuren, dieses Ziel in die Tat umzusetzen und ihre Visionen in die Realität zu verwandeln.

Wir möchten uns nochmal recht herzlich bei Euch und dem gesamten Kollegium sowie den Schülern und Schülerinnen bedanken, dass wir so einen wunderbaren, inspirierenden und lehrreichen Tag an Eurer Schule erleben durften. Ihr habt dazu beigetragen, dass unser Projekt möglich wurde und wir Kriterien und Konzepte für „gute Schule“ sammeln konnten. Es wurde uns ermöglicht, theoretische Konzepte in der Praxis beobachten und erleben zu können. Diese Lernreise war eine große Bereicherung für uns.

Vielen Dank für den tollen Tag!
Eure Potsdamer Lernreise-Gruppe 2017